Brief von Gerd – Liebe Handschrift, liebe Schreibschrift!

Ist dein Ende gekommen? In Deutschland gibt es Überlegungen, die bewährten Schreibschriften durch eine neue, die sogenannte Grundschrift abzulösen. Experten erhoffen sich von der Druckschrift eine „Entlastung“ für Schüler. Skeptiker fürchten jedoch die „kulturelle Verarmung“. Seit Jahrzehnten führen Pädagogen die Debatte über die richtige Schrift am Beginn der Schullaufbahn. Schreib- und Druckschrift oder doch die Grundschrift? Hamburg ist das erste Bundesland, in dem die Grundschulen selbst zwischen Schreib- und Druckschrift wählen dürfen.

ob das unsere Urenkel noch lesen können???
Was passiert da? Viele Menschen halten diese Entwicklung für apokalyptisch und finden dies gleichbedeutend mit einer Preisgabe einer der grössten Kulturtechniken.  Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Kulturtechnik, die den Menschen immeer weniger von Nutzen ist – so ungefähr wie die alte Kulturtechnik des Reitens „verloren gegangen“ ist.
Ein Blick auf das eigene Leben zeigt – wie viel noch mit der Hand geschrieben wird. Einkaufslisten, ein paar kurze Notizen – ehrlich gesagt – es gibt Tage, an denen ist das Einzige, was man von Hand schreibt, die Unterschrift auf dem Kreditkartenbeleg.
Es ist das Zeitalter der Computer, das Zeitalter der E-Mail, das Zeitalter von SMS und Facebook – und überall dort ist die Handschrift nicht mehr gefragt.  Aber was verlieren wir? Vieles glaube ich – das Handschriftliche hat ja eine Aura, in der mehr beinhaltet ist als nur Inhalte von Mitteilungen. Die Herzchen auf den Liebesbriefen aus der Jugendzeit, die Tagebucheinträge in Zeiten, als es einem so gut oder so was von schlecht ging, die anzüglichen Bemerkungen auf der Rückseite einer Visitenkarte, die man in einer fröhlichen Nacht zugesteckt bekommt, die Briefe des Barkeepers aus dem letzten Sardinienurlaub, die elterlichen Schriftzüge auf den Umschlägen mit den Geburtstagswünschen, immer auch von einem Geldschein begleitet. All das ist sofort mit Erinnerungen verbunden – aber reichen persönliche Sentimentalitäten aus, um für die Handschrift ins Feld zu ziehen?
Dieser „Brief von Gerd“ wird ja auch in Druckbuchstaben geschrieben. Die von Maschinen erzeugte Schrift ist ja auch zuverlässiger lesbar. Nach einer amerikanischen Studie sterben in den USA jedes Jahr 7000 Menschen, weil ihre Ärzte unleserliche Rezepte ausstellten.
Das Irritierende über das Verschwinden der Handschrift ist ja, dass sie in einer Zeit auftaucht, in der vermutlich so viel wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte geschrieben wird. Immer mehr Anteile unserer Kommunikation wird verschriftlicht. Die Freunde meiner Kinder benutzen nicht einmal mehr unsere Haustürklingel – ist altmodisch – nein man schreibt ein SMS – „du – ich steh vor deiner Tür“.
Auf der anderen Seite gibt es auch viele Menschen, die bewusst jeden Tag schreiben. Ich gehöre dazu. Es gibt jedes Jahr neue Rekordumsätze bei guten Füllern und Moleskine-Notizbüchern – und in so eines schreibe ich auch jeden Tag – zum Glück gehts da nur per Handschrift. Und meiner Meinung nach ist eine Handschrift mehr als eine Schriftform – es wird ja nicht umsonst von einem Schrift-Bild gesprochen. Die Gegenseite sagt – ist es nicht völlig gleichgültig, wie die Buchstaben in die Welt kommen, wenn nur der Geist sie tanzen lässt?
 

In Gedanken – euer G.Ender

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