Brief von Gerd – Liebe Langsamkeit und Entschleunigung!

Ich rede mit so vielen Menschen – scheinbar wächst uns das Leben über den Kopf, es wird immer schneller, die Grenzen zwischen den Lebensbereichen verschwimmen. Das Ergebnis ist dzt. in aller Munde – Burnout. Computer, Mail, Handy, Twitter, Facebook, Internet – alles Begriffe, die wir vor 20 Jahren noch gar nicht kannten – heute kennt sie jedes kleine Kind. Dadurch, dass wir nicht mehr zur Ruhe kommen können, werden immer mehr von uns seelisch und körperlich kaputt.
ist das ein Weg zum „Glück“
Meiner Meinung nach gibt es zwei Möglichkeiten – Entweder man „verlangsamt“ die Gesellschaft wieder auf „Menschentempo“ oder aber man versucht mitzuhalten und verändert den Menschen hierfür. Was werden nicht alles für Seminare angeboten, um den Menschen an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Zeitmanagementseminare waren in den letzten Jahren der grosse Hit, oder „schneller Lesen lernen“ und ähnlicher Schwachsinn. Meiner Meinung nach ist die Verlangsamung, die Entschleunigung der bessere, der gesündere und der nachhaltigere Weg.
Es gibt da ein chinesisches Sprichwort – ich liebe chinesische Sprichwörter – „Wenn du schnell sein willst, gehe langsam“ Und ich glaube darin liegt der Schlüssel verborgen. Dem Streben nach Verlangsamung und Entschleunigung liegt die Auffassung zugrunde, dass die gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Entwicklung in den entwickelten Industriegesellschaften eine Eigendynamik gewonnen hat, die Hektik und sinnlose Hast in alle Lebensbereiche hineinträgt und dabei jedes natürliche und insbesondere menschliche Maß ignoriert.

Dem Streben der Berufswelt nach Komplexität, Effektivität, Hast, Hektik, schneller, höher, weiter und mehr muss die Entschleunigung entgegensetzen. Dabei geht es nicht um Langsamkeit als Selbstzweck, sondern um einen Umgang mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit unserer Natur.

Hier ein schmerzhaftes, aber lustiges Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man Dinge „anschieben“  – Dinge schneller machen will!!

Die Entschleunigung zeigt Wesensmerkmale der Faulheit und Muße – aber dies muss nicht unbedingt negativ gesehen werden – dazu kommt die Enthaltsamkeit, die Führung eines einfacheren Lebens und die sogenannte Slow-Bewegung. (z.B. Slowfood, Entschleunigung durch langsames und genussvolles Essen)  

Mit der neuen Lust auf Langsamkeit widersetzen sich immer mehr Menschen dem ständigem Stress und dem exaktem Timing.  Ausgefeiltere Computer, E-Mail,  Handys, Autos und Flugzeuge drücken weiter aufs Tempo des täglichen Lebens. Die Folgen der Raserei sind drastisch: Immer mehr Menschen sterben an stressbedingtem Herzinfarkt oder erkranken an Burnout.   

Kann man diesem Hamsterrad aus Besprechungen, Sport, Klavierunterricht, Einkaufen, Arbeit, Friseur, Seminar und Wellnesswochenende  überhaupt entgehen? Ja – man kann!!! Europaweit haben sich Menschen in Gruppen zusammengeschlossen, um dies zu beweisen. Gegen Hast beim Essen entstand Mitte der 80er Jahre in Italien die „Slow Food“-Bewegung.
Wirkliches Nichtstun, Nicht-Handeln, kann man im idyllischen Chiemgau-Ort Polling in Bayern lernen. Hier betreibt das Psychologen-Paar Margot und George Pennington sein Seminarhaus. Eine der Spezialitäten: „Zeitlupen“-Kurse. „In den fünf Tagen des Seminars gibt es keine Aufgaben außer Anziehen, Essen und Besprechen“, sagt Pennington. Für den Gang zur sechs Meter entfernten Toilette ist hier eine Mindestzeit von 20 Minuten vorgeschrieben. Und pro Atemzug sollen die Teilnehmer nur ein Wort sprechen.
Den Alten galt Langsamkeit als eine Tugend – das galt nicht nur für Philosophen, die gewohnheitsmässig denken und deshalb professionell zu spät kommen. Sie war auch eine Haltung der Vornehmen. Und wer es sich also leisten konnte, der verbannte die Hast aus dem Repertoire des Verhaltens und setzte seine Schritte mit der Würde des Masses. Wie sich die Natur für ihre Zyklen einige Zeit liess, so sollte dies auch der Mensch tun.

Zum Schluss noch ein Sprichwort –
„Ochsen gehen langsam, ziehen aber gut.“

Vielleicht sollten wir schon bei Gelegenheit überlegen, ob der Ochse oder wir die „Blöden“ sind.

In Gedanken – euer G.Ender