Verzicht nimmt nicht. Verzicht gibt.
Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen.
(Martin Heidegger, deutscher Philosoph, 1889 – 1976)
Und jetzt versuche ich das Leben hinzuzufügen. Ist er gut der Verzicht oder ist der schlecht? Ich glaube wie so oft liegt die Lösung irgendwo in der Mitte.
Gestern waren wir in einer feinen Pizzeria in Italien. War alles fein – der Insalata Mista, die riesengrosse Calzone, der Rose und der obligatorische Espresso vor der Rechnung. Natürlich eine Gemeinschaftsrechung – und die deutsch-österreichische Gemeinschaft rechnet – Wieviel macht das denn für jede Familie aus? Die Italiener denken sicher – die spinnen die Österreicher und Deutschen – und ganz unrecht haben sie nicht. Aber der Abend wäre noch lange angenehm warm gewesen und die Speisekarte noch voll von köstlichen Dingen, die es wert wären ausprobiert zu werden. Aber in diesem Fall war es wohl richtig, nach dem 1. Durchgang „Verzicht“ zu üben.
Dann die leckeren Marmeladecroissants und die Chappuchinos während des Tages – und die hübschen Frauen am Strand – wieder verzichten?? Oder zuschlagen – zuerst mal beim Chappuchino und den Croissants – was ist richtig. Wo wird Verzicht übertrieben?
Ich kenne Frauen und Männer, die verzichten ein Leben lang auf den täglichen Streit um die Zahnpaste mit einem Partner, sie verzichten auf Diskussionen und Versöhnungen. Sie wollen durch den Verzicht Dinge verhindern und das Ergebnis ist, dass sie verzichten zu leben. Wir verzichten aus den unterschiedlichsten Gründen z.B. um den Arbeitsplatz zu halten, um den Führerschein zu behalten, um die Ehe zu retten, um das Gewicht samt Mann zu halten und und und….
Verzichten sie dadurch nicht auch auf ein Stück ihres begrenzten Lebens. Wer entscheidet, ob Verzicht gut oder schlecht ist – ich glaube jeder für sich. So wie Gott oder wie man die höhere Macht auch bezeichnen mag, jeden Menschen unverwechselbar anders geschaffen hat und dabei auf Kopien verzichtet hat, so sollten wir jedenfalls verzichten Menschen zu vergleichen. Es gibt keine Vergleich – Du und ich – wir beide sind einzigartig – einzigartig in unserem Tun, Handeln und Verzichten.
Noch ein Beispiel gefällig – ich zeichne ein Bild –
eine warme Sommernacht in Rom. Das Paar steuert auf das kleine Italienerlokal in der engen Nebenstrasse etwas außerhalb des Zentrums zu.
Kein „allgemeines Fahrverbot“ – trotzdem ganz ruhig und ab und auch sehr laut. Niemanden störts – Sie oder er kennen das Lokal. Ist kein Touristenlokal, da sie wohl die einzigen Gäste sind, die nicht italienisch sprechen.
Jedenfalls werden sie freundlich begrüßt und am Tisch steht schon eine Flasche Rotwein, obwohl niemand den bestellt hat. Wenn man die Strasse hinunterblickt, dann sieht man die kleinen Granitbalkons auf denen die Wäsche hängt, die längst trocken ist und abgenommen gehört. Auf einem der Balkons sitzt eine richtige „Mama“, etwas zu viel Gewicht, aber Freundlichkeit blickt – jedenfalls auf die Ferne betrachtet aus ihrem verlebten Gesicht – und den Balkon voller Wäsche.
Aber sie nimmt sie nicht ab – sie schaut nur auf die Strasse und beobachtet. Ich würde gerne wissen, was sie gerade denkt. Jedenfalls denkt sie nicht ans Wäsche abnehmen. Hängt sie halt noch eine Nacht oder einen Tag. Dann der Benzingeruch von den Jugendlichen, die in kurzen Hosen, aber wenigstens mit Helm zwei Meter neben dem Tisch des Paares vorbeifahren. Der Benzingeruch begleitet, aber stört in keiner Weise die Bestellungen der Beiden.
Es ist ein deutsches Paar, aber sie bestellen auf italienisch. Jedenfalls versuchen sie es und der gutaussehende Kellner (hat garantiert einige uneheliche Kinder) hat Zeit und Verständnis. Antipasto misto mare tiepido, Insalata mista, Agnolotti piemontesi con pomadoro fresco e basilico, Filetto di manzo al pepe verde, Fragole con panna fresco e gelato, due Espresso – und dazu – in die Augen schauen, reden, reden und reden – und die Weinflaschen nicht zählen.
Und jetzt – auf was sollte dieses Paar verzichten – meine These – ab und zu ist es wichtig – auf den Verzicht zu verzichten.
In Gedanken – euer G.Ender